Johanna und Lea freuen sich, das Seminarhaus im September der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Foto: uc

Durch Brandstiftung an einem benachbarten Gebäude wurde 2010 auch das als Vereinsraum genutzte Nebengebäude des Holunderhof e.V. in Thedinghausen-Morsum zerstört. Nach einer langwährenden Planungs- und Bauzeit soll nun am 10. und 11. September der Neubau eröffnet werden, der zukünftig als Seminarhaus genutzt werden soll.

Gemeinschaftliches Planen und Bauen
Der gemeinnützige Holunderhof e.V. versteht sich als Zusammenschluss von Menschen, die gemeinschaftlich den ehemaligen Vier-Seiten-Hof im Einklang mit Natur und Umwelt bewohnen, beleben und verwalten. Die Bewohner*innen haben das Ziel, hier einen Begegnungsort und ein Experimentierfeld für die hier Lebenden wie auch externe Gäste zu schaffen. Das neue Seminarhaus soll einen wesentlichen Pfeiler dafür bilden, dieses Ziel in Zukunft noch effizienter verwirklichen zu können. Die langwierige Bauphase, in der gelernt, gelehrt, experimentiert und stets nach der ökologisch optimalen Lösung gesucht wurde, steht exemplarisch für die Aktivität des Vereines und seiner Mitglieder.
Nach zwei bis drei Jahren Planungsphase wurde in Zusammenarbeit mit dem ökologischen Zentrum in Verden entschieden, das Gebäude als Strohballenhaus zu bauen. Dabei bildet ein Holzständerwerk entsprechend dem Holzrahmenbau das Tragwerk und die Wände werden aus Strohballen aufgebaut, die mit Lehm verputzt werden und gleichzeitig als Wärmedämmung, -speicherung und Schallschutz wirksam sind.

Zusammenarbeit mit dem Fachverband Strohballenbau
Der Anspruch möglichst viel in Eigenarbeit zu leisten, erschwerte das Vorankommen der Baustelle. Nachdem der Rohbau mit Dach fertiggestellt war, gab es einen Bewohnerinnen-Wechsel und die Bautätigkeit reduzierte sich vorübergehend auf ein äußerstes Minimum. Doch mit den neuen Leuten kam auch neuer Schwung in die „Dauerbaustelle“. Durch einen Anruf beim Fachverband Strohballenbau (FASBA) in Verden kam der Kontakt zu Dirk Großmann zustande. Dieser war u.a. an der Planung und dem Bau etlicher Strohballenhäuser im Ökodorf Sieben Linden und anderen alternativen Gemeinschaftswohnprojekten beteiligt. Er gehört zu den führenden Planern solcher Häuser und ist gleichzeitig mit gemeinschaftlichen selbstverwalteten Strukturen wie auf dem Holunderhof vertraut. „Wir hatten damals keine Ahnung von dem Thema und hätten uns da vermutlich gar nicht rangetraut, wenn Dirk uns nicht ermuntert und motiviert hätte“, erzählt Johanna vom Holunderhof e.V.. Da bei der Herstellung von Strohballen für den Bau bestimmte Kriterien zu beachten sind, wurde als erstes ein Biolandlandwirt gesucht, der diese dementsprechend produziert. Die Prüfung und Zertifizierung erfolgte über Großmanns Firma Bau­stroh GmbH. Als Auftakt der Bautätigkeiten wurde im Mai 2019 für den Einbau der Strohballen in die Holzkonstruktion ein Seminar mit Dirk Großmann organisiert, der den Bewohnerinnen wie auch externen Teilnehmer*innen die theoretischen Grundlagen vermittelte und in der Praxis zeigte, was dabei alles zu beachten ist. Da sich die vorherigen Planungen als nicht optimal erwiesen, musste an einigen Stellen improvisiert und andere Techniken angewandt werden. Dies machte einiges etwas komplizierter, erhöhte aber gleichzeitig den Lernerfolg.

24 Tonnen Lehm verbaut
Im Anschluss an das Seminar verbrachten Johanna, ihre Mitbewohnerin Lea und viele andere vier Jahre lang große Teile ihrer Freizeit auf der Baustelle, z.B. mit dem in mehreren Schichten aufzutragenden 5 cm dicken Lehm­putz. Weitere Workshops mit Großmann und externen Teilnehmer*innen folgten. 24 Tonnen Lehm wurde dabei herangeschafft und verbaut. Praktischerweise hatte zu dieser Zeit ein Mitbewohner eine Ausbildung beim ökologischen Baustoffhandel und Handwerksbetrieb „Biber GmbH“ in Verden begonnen und konnte vieles von dem Gelernten direkt zuhause auf der Baustelle umsetzen. Für spezielle Aufgaben wie den Fußboden oder die Elektrik wurden Firmen aus der Umgebung engagiert.

Zwei große Treffräume
Entstanden ist dabei ein zweistöckiges Seminarhaus mit jeweils einem großen Treffraum oben und unten, Küche, Bad, Dusche, WC sowie zwei kleineren Schlaf- und Rückzugsräumen. Hier sollen zukünftig Seminare für bis zu 20 Personen und Vorträge mit bis zu 30 Personen vom Holunderhof e.V. selbst wie von externen Anbieter*innen stattfinden. Eine Seminarreihe zum Thema „kreativer Selbstausdruck, Erdverbindung und Körperbeheimatung“ hat bereits im August vor der offiziellen Eröffnung begonnen.

Eröffnungsfeier am 10. und 11. September
Am Eröffnungswochende am 10. und 11. September soll gleichzeitig 30 Jahre Holunderhof e.V. gefeiert werden. Es gibt Workshops, Jamsession, Musik, Steinofenpizza und Getränke. In einer Bauausstellung wird anhand von Bildern die Entstehungsgeschichte des Seminar­ge­bäudes gezeigt. Sogar Dirk Großmann hat sein Kommen versprochen und wird Interessierte über den Strohballenbau informieren. (uc)

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