Zwischen Heilstrom und Hochstapelei

Was vom Wunderheiler Bruno Gröning blieb – und warum sein Freundeskreis heute Fragen aufwirft

Von J.A.

Die Geschichte beginnt mit Hoffnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in einem zerstörten Land, begegnen verzweifelte Menschen einem Mann, der nichts verspricht – und gerade dadurch alles verheißt. Er heißt Bruno Gröning, kommt aus Danzig, ist kein Arzt, kein Geistlicher, sondern Schlosser von Beruf. Doch wenn er spricht, lauschen Hunderte. Wenn er die Hände hebt, glauben manche, geheilt zu sein. Sie nennen es „Heilstrom“.

Gröning, sagen seine Anhänger, war ein Mittler göttlicher Kraft. Seine Kritiker nennen ihn einen gefährlichen Dilettanten.


Der Glaube an das Unsichtbare

Gröning sprach wenig – aber er sprach mit jener Mischung aus Demut und Sendungsbewusstsein, die empfängliche Seelen berührte. In seinen Worten lag kein System, keine Theologie, sondern ein inständiges Vertrauen in das Unsichtbare. Dass der Mensch, wenn er „auf Empfang geht“, durchströmt werden könne von einer heilenden Energie – das war seine Botschaft. Keine Medikamente, keine Operation – nur geistige Ordnung.

Der Staat war weniger bewegt. Mehrfach wurde Gröning angezeigt, unter anderem wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz. 1958 verurteilte ihn ein Münchner Gericht wegen fahrlässiger Tötung: Ein 17-jähriges Mädchen mit Tuberkulose war gestorben, nachdem sie ärztliche Hilfe abgelehnt und auf Gröning vertraut hatte.

Ein Jahr später starb er selbst – an Magenkrebs. Ohne Heilstrom.

Der Freundeskreis: Gemeinschaft oder Gefährdung?

Das hätte das Ende sein können. Doch es war der Anfang. Nach seinem Tod formierte sich der Bruno Gröning-Freundeskreis, eine Organisation, die heute weltweit aktiv ist. Sie versteht sich als geistige Gemeinschaft, als „Schule des inneren Wegs“. Man spricht dort von Kraftfeldern, göttlicher Ordnung, vom „Einstellen“ auf die Heilkraft. Von außen betrachtet wirkt das System geschlossen, fast hermetisch.

Kirchliche Weltanschauungsbeauftragte und unabhängige Sektenberatungsstellen warnen seit Jahren: Die Strukturen ähneln jenen einer Sekte. Heilung wird in Aussicht gestellt, Krankheit mit innerem Ungleichgewicht erklärt. Wer nicht gesund wird, hat sich womöglich nicht genug „eingestellt“.

Zahlreiche Aussteiger berichten von psychischem Druck, von Schuldgefühlen und der subtilen Botschaft: Zweifel ist Krankheit, Kritik ist Störung. Angehörige beschreiben, wie Partner oder Eltern sich zurückziehen, ärztliche Therapien abbrechen – und sich ganz dem Freundeskreis hingeben.

Regionale Nähe: Auch im Landkreis Verden

Diese Geschichte spielt nicht nur in der Vergangenheit – sie findet auch hier statt. Der Bruno Gröning-Freundeskreis plant derzeit mehrere Veranstaltungen in der Region: in Verden, in Brunsbrock und in Bücken. Es handelt sich um sogenannte „Informationsabende“, die öffentlich und freundlich auftreten. Doch Kritiker mahnen: Die Schwelle von der offenen Begegnung zur geistigen Vereinnahmung ist niedrig – besonders bei Menschen in Krisensituationen.

Zwischen Resonanz und Risiko

Es wäre billig, über die Sehnsucht zu spotten, die Menschen zu Bruno Gröning treibt – oder zu jenen, die sich heute auf ihn berufen. Doch sie birgt ein Risiko. Wo Glaube zur Ersatzmedizin wird, wo Hoffnung systematisch gegen Vernunft gestellt wird, entstehen Räume, in denen Heilung versprochen, aber nicht gehalten wird.

Ein Glaube, der heilt, kann trösten.
Ein Glaube, der Heilung verspricht – und Krankheit verschuldet – kann zerstören.

Fakten zum Fall Bruno Gröning

Wer war Bruno Gröning?
Geboren 1906 in Danzig, gestorben 1959 in Paris. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als „Wunderheiler“ bekannt. Seine Lehre: Heilung durch „göttliche Energie“, den sogenannten „Heilstrom“.

Was geschah juristisch?
1958 verurteilte ein Münchner Gericht Gröning wegen fahrlässiger Tötung und Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz. Eine Jugendliche war gestorben, nachdem sie auf ärztliche Behandlung verzichtet hatte.

Was ist der Bruno Gröning-Freundeskreis?
Ein international aktiver Zusammenschluss von Anhängern Grönings. Die Organisation veranstaltet Vorträge, Filmabende und sogenannte „Heilstromstunden“. Offiziell versteht sie sich als spirituelle Gemeinschaft.

Was sagen Expert:innen?
Kirchliche Weltanschauungsbeauftragte und Beratungsstellen wie Sekten-Info NRW oder die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen warnen vor sektenähnlichen Strukturen, psychischem Druck und der Verharmlosung medizinischer Behandlungen.

Was berichten Aussteiger:innen?
Ehemalige Mitglieder schildern Schuldgefühle bei Krankheit, Abkehr von medizinischen Therapien und einen sozialen Rückzug durch zunehmende Gruppendynamik. Heilung galt oft als Frage des Glaubens – nicht der Medizin.

Wo ist der Freundeskreis aktiv?
Auch im Landkreis Verden: Geplant sind Veranstaltungen in Verden, in Brunsbrock und in Bücken.