In wenigen Wochen kommt ein ganz besonderes Theaterprojekt im Domherrenhaus Verden zur Aufführung: Unter Schirmherrschaft des Historischen Museums an der Unteren Straße zeigt eine freie Theatertruppe dort am 15., 16. und 17. November, jeweils 19 Uhr, das Psychodrama „Rote Reihe 4“ mit den lokalen Schauspielgrößen Bernd Maas und Karl Korte unter Regie von Joachim Müller.
Die Idee zum Stück entstand bereits vor über zehn Jahren: In den Zeiten vor der Pandemie hatte die damals freiberuflich Kulturtreibende Gabriele Müller mit einem kleinen Team wechselnder Künstlerinnen und Künstlern sowie weiterer Unterstützender hinter der Bühne mehrere sehr erfolgreiche Theaterprojekte unter dem Titel “Ladenfüller” durchgeführt und Theaterstücke wie z.B. Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ oder Dario Fos „Offene Zweierbeziehung“ in leerstehenden Läden gezeigt. Während einer der letzten “Ladenfüller” schlug der Kirchlintelner Schauspieler Bernd Maas vor, für dieses Format ein Kammerspiel zu entwickeln, das auf den sogenannten Haarmann-Protokollen basiert – Protokolle der Gespräche, die der psychiatrische Gutachter Ernst Schultze mit dem Hannoveraner Serienmörder Fritz Haarmann nach dessen Festnahme führte, um fürs Gericht dessen Schuldfähigkeit zu überprüfen.
Bekannt wurden diese Gespräche durch den Film “Der Totmacher” mit Götz George. „Bernd Maas war von Georges Darstellung des Haarmann derart mitgerissen, dass er Teile der Dialoge aus den Protokollen erlernte und mir vorspielte – seitdem war ich ebenfalls Feuer und Flamme für die Idee, daraus ein Projekt für den ‚Ladenfüller‘ zu machen“, so Gabriele Müller. Allerdings hätten sich seither viele Umstände geändert und die einstigen Möglichkeiten, leerstehende Läden zu bespielen, seien in gleicher Form nicht mehr vorhanden. Durch ihre heutige Tätigkeit im Domherrenhaus habe sich stattdessen jedoch die Chance ergeben, das Kammerspiel im Veranstaltungsraum des Museums aufzuführen. „Dort können wir einen ähnlich intimen Rahmen erzeugen, den unser Zwei-Personen-Stück benötigt“, freuen sich auch Regisseur Joachim Müller, Souffleuse Alida Kleine und Regieassistentin Gabriele Benner – alle mit langjährigen Erfahrungen im Metier.
Weiterer Protagonist auf der Bühne wird neben Bernd Maas der 82-jährige Schauspieler Karl Korte sein – eine kleine Sensation für Verden. Korte stand schon vor Jahrzehnten auf Verdener Brettern, die die Welt bedeuten, nämlich im Theater Landesbühne Niedersachsen-Mitte, das von Ende der 1950er Jahre bis Mitte der 1970er Jahre am Piepenbrink für kulturelle Unterhaltung sorgte. Das Schauspiel liegt dem agilen Rentner im Blut und als sein Neffe Joachim Müller, der lange am Schauspielhaus Hannover als Regieassistent tätig war, ihn ersuchte, den Psychiater Schultze zu spielen, ließ sich Korte nicht lange bitten. Seit Mai proben Korte und Maas in den Dachkammern am Holzmarkt, die das DOZ 20 kooperativ zur Verfügung stellt. Gefördert wird das Projekt außerdem von der Stadt Verden, die einen Zuschuss zu nicht gedeckten Kosten in Aussicht gestellt hat.
Dem von Joachim Müller aus den Protokollen entwickelten Kammerspiel hat das Theaterteam den Titel „Rote Reihe 4“ verpasst: Viele seiner Morde verübte Haarmann in einer kleinen Wohnung in dieser Straße im damaligen Rotlichtviertel in der Altstadt Hannovers. Friedrich „Fritz“ Heinrich Karl Haarmann, genannt „Der Schlächter“, „Der Vampir“, „Der Kannibale“ oder „Der Werwolf von Hannover“, wurde 1879 in der heutigen Landeshauptstadt geboren und dort 1925 hingerichtet. Der psychiatrische Gutachter Ernst Schultze hatte ihn nach sechswöchiger Untersuchungszeit für voll zurechnungsfähig erklärt und eine Schuldunfähigkeit abgelehnt.
Karten für alle Aufführungen gibt es im Historischen Museum Domherrenhaus, Untere Str. 13, Verden, unter Telefon 04231-2169 oder info@domherrenhaus.de
Für Fragen:Gabriele Müller für das Theaterprojekt „Rote Reihe 4“
Tel. 0162-1003077 (pm)