In den Bibliotheken in Ottersberg und Oyten gibt es neben Büchern
ab sofort auch Pflanzensamen zu Leihen
In der Ottersberger Gemeindebücherei soll es in Zukunft nicht nur Bücher, sondern auch Saatgut für Blumen und Gemüse zu Leihen geben. Die Rückgabe erfolgt, indem man von den daraus gezogenen Pflanzen das Saatgut erntet und in der Bibliothek wieder abgibt. Saatgutbibliothek nennt sich dieses Prinzip, von dem Karen Marheide, Leiterin der Gemeindebücherei, auf der Homepage der Büchereizentrale Niedersachsen gelesen hatte. Mitarbeiterin Karin Frese erzählte der Stammkundin Heide Mönkemeyer davon, die sofort Feuer und Flamme von dieser Idee war.
Saatgutspenden gesucht
Die Ottersberger Textilkünstlerin und Autorin verbringt einen großen Teil ihrer Freizeit in ihrem Garten und hatte sich bereits so manches der insgesamt 160 Gartenbücher ausgeliehen, die in der Bibliothek zu finden sind. Als ihr Mann, der bekannte Jazzgitarrist Thomas Brendgens-Mönkemeyer, sich ähnlich begeistert zeigte, wurde beschlossen, zu viert an der Umsetzung einer Saatgutbibliothek für Ottersberg zu arbeiten. Auch die für die Bibliothek Verantwortlichen im Rathaus unterstützten das Projekt und so wurde in Presseankündigungen und über Facebook zu Saatgutspenden aufgerufen. Insbesondere Bohnen-, Erbsen-, Kürbis-, Tomaten- und Sommerblumensaat wird aktuell noch gesucht.
Die Resonanz auf die Ankündigungen war beträchtlich, erzählt Mönkemeyer. Es meldeten sich jedoch überwiegend Interessierte, die gern etwas ausleihen wollten. Die Spendenangebote waren hingegen überschaubar. Um trotzdem ein ausreichendes Angebot für den Start am 17. März zu haben, wurde Biosaatgut dazu gekauft.
Erhaltung und Verbreitung besonderer Regionalsorten
Wer überschüssige gekaufte Saaten spenden möchte, müsse unbedingt darauf achten, dass es sich dabei in keinem Fall um Hybridzüchtungen handelt. Aus diesen lässt sich nämlich kein vermehrungsfähiges Saatgut mehr gewinnen und wer Pflanzen daraus zieht, ist von den Saatgutproduzenten abhängig und muss jedes Jahr von Neuem bei ihnen kaufen. Da diese immer nur ein bestimmtes Sortiment im Angebot haben, geht dabei auch die Artenvielfalt verloren und spezielle Regionalsorten, die besonders gut an die jeweiligen örtlichen Witterungs- und Bodenbedingungen angepasst sind, verlieren ihre Verbreitung.
In den USA, wo die ersten Saatgutbibliotheken entstanden sind, wird zudem sehr viel patentiertes gentechnisch verändertes Saatgut angeboten, was den ökologisch orientierten Gründer*innen der „Seedlibraries“ ebenfalls missfiel.
Drei Studentinnen brachten die Idee nach Niedersachsen
Nach Niedersachsen gebracht wurde das Konzept von drei Studentinnen der Universität Lüneburg im Rahmen eines Studienprojektes. Sie bauten die Kooperation mit mehreren Bibliotheken im Raum Lüneburg auf, erstellten eine Homepage, organisierten den Grundstock an Saatgut und machten Öffentlichkeitsarbeit. Sogar das Fernsehen berichtete über das Projekt: Für die Sendung „Hallo Niedersachsen“ wurde dazu in der Bibliothek Adendorf gedreht und ein Interview mit den Initiatorinnen geführt.
In Schleswig-Holstein ist die Saatgutbibliothek in die Fahrbüchereien integriert, die mit ihren Bussen nun nicht nur Bücher, sondern auch Saatgut in ländliche Regionen bringen.
Und dass die Idee auch im städtischen Bereich funktioniert, beweisen die Bücherhallen Hamburg, die in diversen Zweigstellen den „Saatgutverleih“ anbieten und so für mehr Biodiversität und Pflanzenvielfalt in der Stadt sorgen wollen.
Zeitgleiche Eröffnung
in Ottersberg und Oyten
Neben Ottersberg wurde am 17. März zeitgleich auch eine Saatgutbibliothek in Oyten eröffnet. Zur Nutzung ist noch nicht einmal eine Bücherei-Mitgliedschaft erforderlich. Es muss lediglich die Adresse hinterlassen werden, damit ersichtlich ist, wer sich alles verpflichtet hat, am Ende der Saison das geliehene Saatgut wieder zurückzugeben.
Zu übersehen ist die Ottersberger Saatgutbibliothek nicht: Gegenüber dem Eingang, direkt am Fenster, steht ein kleiner Tisch mit Karteikästen, in denen die aus Recyclingmaterial selbstgebastelten Samentütchen zu finden sind, umrundet von zahlreichen Büchern mit Tipps und Anregungen zum Gemüseanbau im eigenen Garten. (uc)
