Der erste Punk Thedinghausens

Thomas Nullmeyer ist in seine Heimatgemeinde zurückgekehrt

Ende der 70er-Jahre schwappte der Punk von London in die Bundesrepublik über und verbreitete sich aus den damaligen Zentren Düsseldorf, Hamburg, Berlin und Hannover bis in die tiefste Provinz. Bereits in der frühen Anfangsphase entdeckte Thomas Nullmeyer in Thedinghausen die Musikrichtung. Während seiner zahlreichen Wohnortswechsel blieb er der Szene immer treu. Inzwischen ist er in seine Heimatregion zurückgekehrt und hat auf der Finkenburg in Thedinghausen-Eißel Quartier bezogen.

Seine damaligen Freunde erinnern sich bis heute an das umfangreiche Wissen und die riesige Schallplattensammlung des Musikliebhabers. Als Elfjähriger saß er 1977, wie viele Jugendliche zur damaligen Zeit, mit dem Kassetten-Rekorder vorm Radio um die neuesten Songs aufzunehmen. Zu seinen Favoriten gehörte der britische Soldatensender BFBS.

Musik im Radio entdeckt

Während in den deutschen Charts ABBA, Smokie sowie deutsche Schla­ger liefen, tauchten in den englischen Charts bereits die ersten Stücke von Punkbands wie Sex Pistols, Damned und The Clash auf. Der Teenager war überwältigt von dieser vollkommen neuen Art von Musik. Vieles nahm er auf Tape auf, insbesondere jeden Mittwoch, wenn die wegweisende Sendung des Radio-DJs John Peel ausgestrahlt wurde. An die Schallplatten war hingegen nur sehr schwer heranzukommen. Seine erste Single „Holidays in the Sun“ von den Sex Pistols konnte er mit etwas Glück im örtlichen Elektrohaus Tote erstehen. Vieles weitere ließ er sich per Post schicken, entweder von kleinen alternativen Plattenläden oder als Direktimporte mit wochenlangen Wartezeiten. Später wurde er auch gelegentlich in der Plattenabteilung des Elektrogeschäftes „von Ahsen“ in der Verdener Innenstadt fündig.

Nietenarmband selbst gebaut

Auch am Outfit der Szene begann er sich zu orientieren. In der Apotheke in der Braunschweiger Straße kaufte er sich Handgelenkbandagen, malte sie schwarz an, steckte Reißzwecken hindurch und fertigte so sein erstes Nietenarmband. Seine Mutter rang ihm das Versprechen ab, vor seiner Konfirmation „nichts mit seinen Haaren anzustellen“. Als er aber das Kirchfest samt Fototermin hinter sich gebracht hatte, ließ er sich die Haare nur noch „krumm und schief“ von seinen Kumpels schneiden und färbte sie in allen erdenklichen Farben.

Verdener Punkbands der zweiten Generation

In Morsum, Wulmstorf und Emtinghausen gab es ein paar Punks, mit denen er sich anfreundete. Als er auf die BBS Dauelsen kam, lernte er auf dem Schulhof weitere kennen. Zu ihnen gehörten auch zwei Mitglieder der Band A.V. Blox, deren Sänger Amok auch bei Agen 53, einer weiteren wichtigen Verdener Punkband der zweiten Generation, aktiv war. Sie hatten die Nachfolge angetreten von den ebenfalls aus Verden stammenden überregional bekannten Bands OH 87, Notlösung und den Kastrierten Philosophen, die selbstverständlich alle in Nullmeyers Plattensammlung vertreten sind. „Damals kamen deutlich mehr gute Bands aus Verden als aus Bremen“, urteilt der Musikkenner.

Umzug in Bremer “Viertel”

Trotzdem zog es ihn 1994 selbst in die Großstadt an der Weser, wo er eine WG im “Viertel” bewohnte. Aufgrund seines Berufes als Pfleger sowie seiner damaligen Beziehung zog er 1999 nach Wiesbaden um, bevor er nach weiteren Stationen im Emsdetten, Enschede (NL) und Münster 2003 nach Bremen zurückkehrte. Da er aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte, bezog er ein Büro im Jugend- und Kulturzentrum „Die Friese“, wo er das Archiv der Jugendbewegungen aufbaute.

In dieser Zeit entstanden viele Kontakte und Freundschaften zu Musikern aus aller Welt, die in der Friese auftraten. „Ich war so etwas wie der gute Geist für die Bands, weil mein Büro gleichzeitig der Backstageraum für sie war“, erinnert er sich. Insbesondere die finnische Punkszene sowie die deutsche Band EA80 hebt er dabei hervor: „EA80 war schon in den 80ern eine meiner Lieblingsbands, als mir Parolenpunk à la Slime zu einfallslos war.“

Zurück in die Heimat

2011 zog er auf Wohnungssuche zurück in den Landkreis Verden und 2018 wieder in seine Heimatgemeinde Thedinghausen, wo er nun öfters an seinem Elternhaus in der Nähe des Jugendzentrums vorbeikommt und sich an seine Kindheit und Jugendzeit erinnert. (uc)

 

 Wohnung gesucht: Am liebsten würde Thomas Nullmeyer wieder direkt ins Ortszentrum von Thedinghausen ziehen und sucht dort aktuell bezahlbaren Wohnraum (Kontakt 04204 / 685925).