Die Firma Bose aus Martfeld handelt mit recycelten Baustoffen

Vor fast 30 Jahren kaufte sich der Tischler Gert Bose einen inzwischen über 250 Jahre alten Fachwerkhof in Martfeld-Büngelshausen. Um die alten Gebäude wieder auf Vordermann zu bringen, suchte er in der gesamten Umgebung nach originalgetreuen Baumaterialien. Nicht alles wurde komplett verbaut und so entstand die Idee, mit dem Handel für historische Baustoffe zu beginnen.

Gert (l.) und Nico Bose (r.) haben auch Besonderheiten wie Sandsteinteile vom Bremer Dom zu verkaufen. Foto: uc

Schnell wurde es in Büngelshausen zu eng und so zog zuerst die Tischlerei und nach und nach auch der größte Teil des Betriebes nach Bruchhausen-Vilsen um. Inzwischen sind nur noch das Türen- und das Sandsteinlager in Martfeld untergebracht.
Betritt man hingegen den Gewerbehof im Maidamm 29 in Bruchhausen-Vilsen, so stößt man als erstes auf Paletten voll mit Ziegelsteinen, gefolgt von altem Eichenfachwerk und Dachstühlen. Rund 150.000 Steine sind hier vorrätig, erklärt Gerd Bose. Am Ende des Grundstückes sind, ein wenig hinter dem üppig sprießenden Gras verborgen, Unmengen an Dachziegeln zu finden. Auch einige Sandsteinplatten und -quader sind hier gelagert, ein Teil von ihnen ist bildhauerisch bearbeitet und verziert. Es sind Originalteile, die bei einer Sanierung des Bremer Doms über waren und nun hier auf Lieb­haber*innen warten, die Interesse haben, sie wieder zu verbauen.
Einen ähnlichen Weg nahmen bereits die zahlreichen Sitzbänke, die einst unter den Arkaden des Bremer Rathauses standen, wie auch etliche ebenfalls aus Bremen stammende Gefängnistüren. Eine der Bänke wurde nach Sylt verkauft, wodurch ein kleiner Hype auf der Nordseeinsel ausgelöst wurde. So kommt es, dass man heute an verschiedenen Stellen auf Sylt auf die ehemaligen Bänke des Bremer Rathauses stößt. Die „Knasttüren“ mit den auffälligen Gitterstäben wurden hingegen gern von Anwälten gekauft, die sie aus Dekorations- und vielleicht auch pädagogischen Zwecken in ihre Kanzleien einbauten.

Raritäten mit „Grüßen“ aus der Vergangenheit
Auf dem Gelände gibt es viel zu entdecken und Gert Bose und sein Sohn Nico wissen viel Interessantes und Wissenswertes dazu zu erzählen. Nico ist als gelernter Tischler vor einigen Jahren ebenfalls in den Betrieb eingestiegen und sorgt dafür, dass die Firma weitergeführt wird, wenn sich Gert eines Tages mal zur Ruhe setzen sollte.
Zu den Raritäten gehören auch Ziegelsteine und Dachpfannen, auf denen während der Herstellung bewusst oder ver­se­hent­lich Grüße aus der Vergangenheit eingraviert wurden – in Form von Schutzzeichen oder Verzierungen wie auch als Kinderkritzeleien und Tierspuren. Es kam auch vor, dass in die letzte Dachpfanne einer Produktion die Rechnung eingeritzt wurde, und ein ganz besonderer Fund ist eine First­pfanne mit einem Freimau­rer­symbol. Sie sind in der Regel unter Dach gelagert, wie auch die Holzböden, Fenster, Fliesen und Metallteile.

Kooperationen mit dem Denkmalschutz
Das Kund:innenspektrum für antike Baustoffe ist breit gefächert. Ein großer Teil wird im Rahmen des Denkmalschutzes verbaut. So wurden u.a. die Nikolaikirche Leipzig, die Marienkirche Lübeck und der Barkenhoff Worpswede mit Eichenbalken beliefert, das Rathaus Hamburg mit Parkettfußboden sowie der Bremer Dom mit Sandstein. Auch in den Schlössern in Etelsen und Hoya wurden historische Baustoffe aus Martfeld bzw. Bruchhausen-Vilsen verwendet. Den zweiten Teil der Kundschaft bilden wohlhabende Leute, die es sich leisten können, als besonderes Accessoire in ihrer Villa oder dem Ferienhaus auf Ibiza urige Bauteile mit Geschichte zu verbauen. Zu ihnen gehören auch einige Prominente, die diesbezüglich großen Wert auf Diskretion legen, verrät Gert Bose. Den dritten Bereich bilden Hobbytüftler:innen, die sich einen alten Resthof kaufen und origi­nalgetreu umbauen, so wie Gerd Bose einst selbst begonnen hatte.
Gert und Nico ist es ein Anliegen, dass die historischen Baustoffe auch in der Breite Wiederverwendung finden und so probieren sie stets, mit gleichartiger Neuware preislich konkurrenzfähig zu bleiben.
Denn in den Bauteilen steckt immer auch ein Stück Kulturgeschichte und Handwerkskunst. Zudem hätten Untersuchungen bewiesen, dass handbearbeitetes, langsam und gut durchgetrocknetes, altes Holz wesentlich tragfähiger ist als frisch geschlagenes und maschinell gesägtes, erklärt Gert Bose. Ein weiterer Grund neben der Trocknung sei auch, dass beim Sägen viele Holzfasern durchtrennt werden, die bei der Bearbeitung mit einem Handhobel erhalten blieben.

Kostenlose Demontage
Außerdem könne viel Energie gespart werden, wenn altes Material wiederverwendet wird, anstatt es neu zu produzieren. Mit dem Recycling kann erheblich zum Klimaschutz beigetragen werden. Das treffe besonders auch auf Ziegel zu, denn „für das Brennen neuer Steine ist ein Riesenenergieaufwand nötig“, ergänzt er. Alte Ziegel bestehen ausschließlich aus Ton, der ein reines Naturprodukt ist und wieder zu Erdboden wird, wenn er irgendwann verwittert und nicht mehr wiederverwendet werden kann.
Heute werden den Steinen hingegen Kunststoffe wie Styropor oder Silikon beigemischt und in der farbigen Glasur heutiger Dachpfannen stecken ebenfalls oft giftige Stoffe. „Das ist im Grunde Sondermüll, wenn die nicht mehr gebraucht werden.“ Auch deshalb plädiert Bose dafür, die alten Baustoffe zu bergen und wiederzuverwenden. Seine Firma bietet den Abriss von Fachwerk- und Rotsteingebäuden, das Abnehmen von alten Dachpfannen und Dachstühlen oder das Aufnehmen von alter Pflasterung an. Die Kosten dafür werden mit dem geborgenen Material verrechnet, sodass der Abriss bzw. die Demontage häufig sogar kostenlos angeboten werden kann. Aber auch der nachträgliche Ankauf ist möglich.
Immer wieder komme es aber vor, dass vollständig erhaltene Eichenbalken zu Feuerholz zersägt werden, häufig ohne ein Bewusstsein dafür, welche ideellen und materiellen Werte dabei zerstört werden. Wer unbedingt Feuerholz benötige, könne solche Balken gern auch bei ihm gegen kleinere Reststücke aus seiner Firma tauschen, so Bose.

Die Erhaltung hat Vorrang
Der Erhalt der Baustoffe und, wann immer möglich, auch alter Bausubstanz habe für die Boses immer eine höhere Priorität als der schnelle Abriss und das Ausschlachten alter Gebäude. Sie sehen sich als Partner des Denkmalschutzes und liefern lieber das Material zur Sanierung, als dass sie den Abriss vorantreiben würden, so wie zuletzt beim Erhalt des alten Pastorenhauses in Martfeld. Leider gab es in der Vergangenheit auch immer wieder Kollegen, die das anders gesehen haben und dadurch dem Ruf der Branche insbesondere gegenüber dem Denkmalschutz geschadet haben. Um dem entgegenzuwirken, wurde der Unternehmerverband Historische Bau­stoffe e.V. gegründet, in dem 30 Betriebe zusammengeschlossen sind, die ähnliche Ideen und Ideale verfolgen wie die Boses.

Drei feste Mitarbeiter
In ihrer eigenen Firma arbeiten neben ihnen noch drei weitere festangestellte Tischler. Der Ausbildungsberuf ihrer Mitarbeiter sei aber gar nicht so entscheidend, da man es hier mit diversen unterschiedlichen Materialien zu tun habe. Die Baustoffe müssen geborgen, gesäubert, sortiert, aufbereitet und manchmal auch umgearbeitet werden. Dazu stehen in Bruchhausen-Vilsen u.a. auch eine Tischlerwerkstatt und ein altes Sägewerk zur Verfügung. Handwerkerinnen und Handwerker sämtlicher Gewerke, die Interesse an einer Mitarbeit haben, dürfen sich gern unter Tel. 04255 / 1740 melden, so Bose. Denn je mehr Menschen daran mitarbeiten, desto mehr der alten Baustoffe lassen sich retten und wiederverwenden. (Text+Fotos: uc)